Marmor
Petrographischer Begriff
Marmore sind Metamorphite (Umwandlungsgesteine), die mindestens 50 Volumenprozent Calcit, Dolomit oder seltener Aragonit enthalten. Viele bestehen aus fast nur einem Karbonatmineral (d. h. sind monomineralisch). Marmore haben unter hohem Druck und/oder hoher Temperatur eine Metamorphose erfahren. Die Kristallkörner des Calcits sind zumeist mit dem Auge erkennbar. Viele gehören zu den Paragesteinen, das heißt sie sind aus Sedimentiten (Ablagerungsgesteinen) hervorgegangen. Eine Ausnahme bilden Marmore, die eine zweite Metamorphose durchlaufen haben und schon vorher Marmore und damit Metamorphite waren, und solche, die aus der Umwandlung von Karbonatiten entstehen. Als Karbonatit wird in der Geologie ein seltenes magmatisches Gestein bezeichnet, das mehr als 50 % Karbonatminerale enthält. Vereinzelt kommen auch in Abfolgen karbonatischer Sedimentgesteine metamorphe Bereiche vor. Eine Klassifikation der gesamten Einheit als Marmor, Dolomit oder Kalkstein ist dadurch erschwert.
Keine Marmore im petrographischen Sinne sind die „Agglo-Marmore“ sowie Kunst- und Stuckmarmore, welche von Menschenhand hergestellt werden. Marmore sind natürliche Gesteine und können nicht künstlich hergestellt werden.
Kulturbegriff
Im deutschsprachigen Raum werden unzählige Kalksteine, Kalkbrekzien, Dolomite, Travertine, Onyxmarmore und zum Teil weitere Gesteine, die kein oder nur marginal Karbonate enthalten, zum Beispiel Serpentinite, als Marmore bezeichnet. Marmor als Kulturbegriff findet sich seit Jahrhunderten in der Architektur, Innenausstattung, Kunstgewerbe, Kunstgeschichte und anderen Themenbereichen in petrographisch falscher Anwendung wieder, ohne dass dies Folgen hat. In Italien werden unter der Bezeichnung „marmi“ (Plural-Form) gelegentlich auch polierte Granite und Gneise verkauft, obwohl sie von ihrer Textur mit Karbonatgesteinen oft nur entfernt vergleichbar sind und eine völlig andere chemisch-mineralogische Zusammensetzung als die Marmore haben. Die Anwendung des Wortes Marmor (italienisch: marmo, französisch: marbre, englisch: marble, spanisch: mármol, portugiesisch: mármore, schwedisch: marmor, russisch: мрáмор, tschechisch: mramor, polnisch: marmur, ungarisch: márvány) als umfassender Kulturbegriff ist fast in allen Ländern verbreitet. In Frankreich wird etwas stärker differenziert, indem für Kalksteine aller Art deutlich akzentuiert die Worte calcaire (deutsch: Kalkstein) oder nur pierre (deutsch: Stein) eingesetzt werden. Trotzdem wird in der französischen Alltagssprache auch keine exakte petrographische Unterscheidung getroffen. Einige Kalksteine bezeichnet man auch als marbre (z. B. Marbre Rose de Guillestre, Marbre de Campan oder Marbre de Vérone).
Ökonomischer Begriff
Während die beliebige Verwendung des Marmorbegriffs im Kulturleben ohne Folgen bleibt, kann dies in der Ökonomie Konsequenzen haben. Im Geschäftsleben werden polierfähige Kalksteine wie zum Beispiel der sogenannte Jura-Marmor, ein Kalkstein, durchaus als Marmor angeboten. Dabei wird vom steinverarbeitenden Gewerbe Rücksicht in Verkaufsgesprächen darauf genommen, dass die Kunden im deutschsprachigen Raum zumeist lediglich Granit, als „überaus hartes“ Gestein, und Marmor als vermeintlich „teures Gestein“ kennen. Bei einem Verkaufsabschluss ist ein Steinmetzbetrieb entsprechend der derzeitig geltenden Rechtsprechung angehalten, auf den Unterschied zwischen Kalksteinen und Marmoren ausdrücklich hinzuweisen.
Entstehung.